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Warum ich Schwierigkeiten hatte, Freundschaften zu schließen

Hätte man mich vor dem Studium gefragt, wann ich denke, dass ich neue Freunde gefunden haben werde, dann hätte ich wahrscheinlich geschätzt, dass sich diese Suche zum jetzigen Zeitpunkt schon so ziemlich erledigt hätte und ich auch fündig geworden wäre.

Ganz so, wie ich das mir vorgestellt habe, lief es aber nicht, da ich mit meinem Ansatz, Freunde zu finden mir oft eher selbst Steine in den Weg gelegt habe. Ich möchte ein bisschen über meine freundschaftliche Reise im ersten Semester erzählen, und was man daraus mitnehmen kann.

Was ist Freundschaft?

Freundschaft. Was ist das überhaupt? Auf diese Frage gibt es keineswegs eine klare Antwort, denn irgendwie versteht auch jeder etwas anderes unter Freundschaft.

Auf der Suche nach einer Antwort bin ich unter anderem auf dieses Video gestoßen, welches Aristoteles Philosophie erklärt, wobei er beispielsweise zwischen verschiedenen Arten von Freundschaft unterschiedet. Er differenziert Freundschaft aus Lust, Freundschaft aus Nutzen und vollkommene Charakterfreundschaft.

Wenn ich darüber nachdenke, hatte ich vielleicht oft nur letzteres im Blick und die anderen “leichteren” Arten von Freundschaft komplett außen vorgelassen. Klar ist eine tiefe Freundschaft das, was am erstrebenswertesten ist, jedoch sollte es auch mal okay sein, wenn man sich nicht auf so einer höheren Ebene begegnet. Über meine Erfahrungen diesbezüglich aber später mehr.

Ich denke die Meisten (inklusive mir) sehnen sich nach einer tiefen, innigen Freundschaft, die sehr lange, vielleicht auch das ganze Leben lang hält. Dabei braucht es immer etwas, was zwei Menschen verbindet, was zum Beispiel eine Leidenschaft bzw. ein Interesse sein kann. Noch enger ist die Bindung wahrscheinlich, wenn beide Parteien eine ähnliche, schwierige Situation oder Lebensphase durchlebt haben. Je grundlegender und tiefer die Gemeinsamkeiten, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir uns zu der Person hingezogen fühlen. Wie ich finde, hat Nathaniel Drew hierzu ein sehr schönes Video gemacht, was auch meine Sicht über Freundschaft beeinflusst hat.

Meine Geschichte

Seit dem ersten Tag im Mathe Vorkurs an der Uni schaue ich mich nach denjenigen Menschen um, die ähnliche Interessen oder Hobbys haben, um KommilitonInnen zu finden, die ich meine Freunde nennen kann.

Meine ursprüngliche Idee war es, mich hierbei nicht direkt auf eine “Gruppe” festzulegen, der ich angehören möchte und lieber in verschiedenen Konstellationen zu agieren. Dabei wollte ich mir ein Netzwerk aufbauen, auf welches ich zurückgreifen kann, wenn man mal Hilfe bei einem Übungsblatt oder ähnlichem benötigt. Auf dieser Reise zwischen den Gruppen könnte ich ja dann auch engere Freunde kennenlernen.

Dieser Ansatz mag vielleicht zunächst halbwegs vernünftig erscheinen. Blöd nur, wenn man dann wie ich soziales Island Hopping betreibt, und durch diese Auswahl von Menschen, mit denen man engeren Kontakt aufbauen könnte, sich letztendlich mit nichts zufriedengibt. Somit habe ich im Laufe des ersten Semesters mit verschiedensten Leuten abgehangen, ohne dabei große soziale Bindungen aufzubauen, weil ich einfach viel zu “picky” war.

Was ich daraus gelernt habe

Wenn man sich immer alle Optionen offenhalten möchte, wird man nie dieselbe, erfüllende Erfahrung haben, wie wenn man seine ganze Energie einer Sache widmet und sich dabei gegen die anderen Möglichkeiten entscheidet. Das ist eine Philosophie, die meiner Meinung nach auf viele Bereiche des Lebens und eben vor allem auf Freundschaft angewendet werden kann.

Das ist eine Lehre, die ich aus meiner Zeit der Freundessuche an der Uni gezogen habe. Ich habe mich viel zu lange davor gesträubt, mich festzulegen, weil ich immer dachte: “Und was ist, wenn es Menschen gibt, mit denen ich noch besser zusammenpasse?”

Dabei wird man bei so einer Auswahl von Menschen nie die “perfekte Wahl” treffen können und das braucht man auch gar nicht. Es geht, wie ich finde, bei Freundschaft doch nicht nur darum, wer denn am besten zu einem passt, sondern vor Allem was man daraus macht. Eine Freundschaft kann nur dann gedeihen, wenn alle Beteiligten sicher sind, dass sie diese Freundschaft wollen und dementsprechend auch Energie in die Beziehung stecken. Dazu braucht es keine perfekten Voraussetzungen.

Um wieder auf Aristoteles zurück zu kommen, kann man hier aber wieder unterscheiden, denn es gibt ja nicht nur eine Art von Freundschaft. An der Uni ist es wie an der Schule üblich eine Freundschaft aus Nutzen zu führen was nichts mit “ausnutzen” zu tun hat. Alle Parteien sollten sich über die Wertigkeit der Freundschaft einig sein, aber dann ist es auch kein Problem, wenn man solch eine “leichtere” Beziehung bevorzugt. Nicht jeder, mit dem man sich in der Uni zum Üben zusammensetzt muss der Freund oder die Freundin fürs Leben sein. Es ist vollkommen okay, wenn man dabei nicht immer den größten Deep-Talk über den Sinn des Lebens führt und einfach zusammen das machen kann, woran man Spaß (oder auch nicht) hat.

Eine weitere Lektion, die ich aus meinem Lebenskapitel des ersten Semesters an der Universität gelernt habe ist, dass es einfach Zeit braucht Freundschaften zu schließen. Man kann nicht erwarten, dass man sich nach einer Unterhaltung in der Mensa so gut kennt, dass man unbedingt etwas zusammen unternehmen möchte. Selbst wenn man im Gegensatz zu mir einen “gesünderen”, nachhaltigeren Ansatz bei der Freundessuche wählt, wird man das Gegenüber nicht in ein oder zwei Monaten in- und auswendig kennengelernt haben. Das mag vielleicht selbstverständlich klingen, jedoch hatte ich da Anfangs etwas andere Erwartungen, weswegen ich auch wahrscheinlich zu schnell von der einen zur nächsten Gruppe “gehüpft” bin, was ich jetzt bereue.

Es ist nie zu spät

Die Zeit zurückdrehen kann ich natürlich nicht – muss ich aber auch nicht. Denn solange ich weiß, woran meine Versuche gescheitert sind, kann ich Dinge anders tun. Auch wenn sich jetzt die Gruppen schon etwas gebildet haben, ist man erstens nicht der einzige, der sich etwas verspätet für eine Gruppe von Menschen entscheidet und zweitens sind so gut wie alle offen für neue Leute. Da sollte man sich keine Sorgen machen, nirgendwo unter zu kommen.

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