Vor nicht all zu langer Zeit habe ich in einem Beitrag geschrieben, wie schwierig es sein kann die viele Zeit irgendwie sinnvoll zu nutzen und den Tag mit Aktivitäten zu füllen.
Mit dieser Woche hat sich das aber auf einen Schlag geändert und es ist jetzt plötzlich das Problem überhaupt noch Zeit zu finden beispielsweise Freunden auf Whatsapp zu antworten.
Der Mathe Vorkurs für PhysikerInnen hat mein Leben auf den Kopf gestellt, was nichts schlechtes heißt, da ich aus dieser Woche sehr viel mitnehmen kann, auch was nichts direkt mit Mathe zu tun hat.
Erster sozialer Kontakt mit KommilitonInnen
Am ersten Morgen war das Schweigen vor und im Hörsaal groß. Nach zwei Stunden teils unbekannter Mathematik gab es aber eine zehnminütigen Pause, in der dann zumindest ein Small Talk alla Physiker gestartet wurde. Somit wusste man den Sitznachbarn zumindest namentlich anzusprechen und der Herkunftsort wurde auch ab und zu offenbart.
Auf dem (Um-)Weg zur und in der Mensa ging es dann ähnlich schüchtern zu, wobei man langsam zu dem Punkt kommt die ersten Namen schon wieder zu vergessen.
Selbst in den Übungen am Nachmittag dauert es bisschen, bis sich wieder nach den Namen gefragt wird. Das Klischee des schüchternen Physik Erstis hat sich also am ersten Tag nicht all zu selten bestätigt.
Hier kann ich mir vorstellen, dass es in anderen Studiengängen vielleicht etwas offener zugeht und man seine KommilitonInnen etwas näher kennenlernt aufs erste Mal.
Tag zwei war jedoch selbst bei uns PhysikerInnen schon deutlich anders. Jeder war plötzlich viel aufgeschlossener und es kamen schon richtige Unterhaltungen zustande.
Gesprächsstoff gibt’s schließlich reichlich, denn zumindest bei uns kannte keiner keinen im vornherein und somit ist auch jeder in der selben unsicheren Situation. Jedes Gesicht, in das man schaut gehört also einer Person, die gerade wahrscheinlich ähnliche Gedanken hat und sich freut, wenn sie angesprochen wird.
Bei uns wurde dann am selben Tag noch ein Grillabend von der Fachschaft organisiert. Egal, ob jetzt das, eine Kneipentour, Stadtralley oder sonst irgendwas bei euch angeboten wird: Geht da auf jeden Fall hin, es lohnt sich!
Nicht nur kostenlosen Alkohol gibt es dort nämlich, sondern es herrscht auch eine super entspannte Atmosphäre, bei der man die bisher aufgebauten Beziehungen stärken, aber auch neue Kontakte knüpfen kann.
Bei einer Kneipentour muss man vielleicht erst bisschen ins Kneipenfeeling reinkommen, aber wenn man erstmal in der richtigen Stimmung ist, dann laufen nicht nur der Alkohol, sondern auch die Gespräche immer besser.
Kneipen mögen vielleicht nicht für jedermann sein aber wenigstens probiert haben sollte man es. Wichtig ist dabei auch den Studentengeiz (falls schon vorhanden) an so einem einmaligen Abend abzustellen und einfach die Zeit zu genießen (Geld ist oft nicht direkt proportional zu Spaß).
Falls du nach der dritten Kneipe dann doch merkst, dass es in der etwas lauteren Atmosphäre für dich unmöglich ist sozial zu interagieren, reißt dir keiner den Kopf ab, wenn du dich dazu entscheidest heimzugehen.
Wenigstens kannst du behaupten es versucht zu haben und du bereust es später nicht, wenn du daheim geblieben wärst
Als ich persönlich mich dann um viertel vor eins nach der Kneipentour unserer Fachschaft zurück in meiner Wohnung gefunden habe, war mir klar: Die Vorlesung morgen um 8 muss für mich ausfallen. Ich muss auch sagen, dass sich die Investition in meinen Schlaf deutlich gelohnt hat. Ich konnte mir nämlich am nächsten Tag im Skript einfach genau die Stellen heraussuchen, die mir aus der Schule noch nicht geläufig waren und habe mir schnell ein paar Daniel Jung Videos dazu reingezogen, dass ich wieder auf dem aktuellen Stand war. Bei den Übungen am Nachmittag konnte ich dann auch mein frisches Wissen zum größten Teil auch erfolgreich anwenden, wobei ich dann trotzdem ab und zu meinen Banknachbar um eine Erklärung bitten musste.
Allgemein kann ich aber sagen, dass es alles andere als dumm ist, wenn man mal einen Kollegen fragt, wie man auf dieses oder jenes kommt. Derjenige, der es frisch gelernt hat weiß nämlich am besten, was genau man nicht verstanden haben könnte. Also: Fragt! Denn wie wir alle hoffentlich wissen: Wer nicht fragt bleibt dumm!
Solche Fragen an den Banknachbarn lockern außerdem die Atmosphäre und man unterhält sich wieder ein bisschen, wenn auch über Mathe.
Das coole ist aber, das eigentlich jeder eine ähnliche positive Beziehung zu Mathe, Physik oder ähnlichem hat und man hier automatisch auf einer Wellenlänge ist und es beiden Spaß macht darüber zu diskutieren.
Bei anderen Studiengängen sind es andere gemeinsame Interessen, aber es läuft oft darauf hinaus, dass man sich für die gleichen Sachen begeistern kann und sich so leicht Gesprächsthemen finden lassen.
Strategie in Vorlesung und Übung
Der Vorkurs besteht natürlich nicht nur daraus, neue Leute kennenzulernen. Es geht ja auch vor allem darum, mathematisch auf Vordermann gebracht zu werden.
Wer frisch aus der gymnasialen Oberstufe kommt, wird sich hier aber an einigen Stellen anfangs vielleicht etwas langweilen, weil ja trotzdem viel wiederholt wird. Deswegen hat es mich gewundert, dass egal wo ich hingeschaut habe, so gut wie jeder von der Leinwand alles abgeschrieben hat, obwohl sogar ein fast dazu identisches Skript im vornherein zu Verfügung gestellt wurde.
Meine Taktik hieß also mehr Aufmerksamkeit dem Verstehen der neuen Inhalte zu widmen und ab und zu im Skript Ergänzungen vorzunehmen, anstatt alles wie in der Schule blind abzuschreiben. Mir fällt es zu mindest sehr schwer gleichzeitig abzuschreiben und mitzudenken, weswegen ich so denke ich besser gefahren bin.
Andererseits ist es ziemlich schwer in der Vorlesung den neuen Stoff direkt komplett zu verstehen. Das richtige Verständnis kam bei mir nämlich erst in den Übungen am Nachmittag, wo dank unserer coolen Übungsleiterin, die selbst Studentin war, einiges nochmal langsamer und verständlicher erklärt wurde. Zudem lernt man ja viel besser bei der Anwendung, weswegen ich mich auch immer viel mehr auf die Übung am Nachmittag gefreut habe.
Weil die Übung so wichtig ist, bin ich auch am Tag nach der Kneipentour trotz leichtem Kater wie vorhin erwähnt nachmittags in die Uni geradelt.
In den letzten zwei Tagen muss ich aber sagen, dass das Niveau sehr schnell gestiegen ist und ich selbst nach den Übungen noch nicht alles verstanden habe. Besonders am letzten Tag bin ich an vielen Aufgaben verzweifelt, was schnell deprimierend sein kann, wenn man es gewohnt ist in Mathe wenig Probleme zu haben.
Wichtig ist es da aber cool zu bleiben, weil es komplett normal ist, nicht alles zu checken (zumindest habe ich mir das sagen lassen). Ich erinnere mich da gerne an meinen promovierten Mathelehrer in der Oberstufe, der erzählt hat, dass er im Studium damals sehr lange sehr viel nicht verstanden hat. Doch solange sie ihn nicht aus der Uni rauswerfen, wollte er weitermachen und es hat sich wie man an seinem Doktortitel sehen kann definitiv ausgezahlt, hartnäckig zu bleiben.
Keine Atempause
Langweilig wurde es in dieser Woche mit Sicherheit nie, das steht fest. Bei den vielen sozialen und fachlichen Neuheiten einen kühlen Kopf zu bewahren ist auch alles andere als einfach, aber ich denke an das Gefühl, dass der Kopf gleich platzt wird man sich im laufe des Studiums gewöhnen.
Nächste Woche geht es weiter und es wird wahrscheinlich auch wieder viel neues auf mich zukommen, jedoch bin ich zuversichtlich dass alles machbar ist, solange man sich einer Herausforderung nach der nächsten stellt.