Schon in Zeiten der Schule hörte man von Berichten, wie schlimm denn die Klausurenphase im Studium sei und man ja überhaupt kein Leben mehr hätte. Aber ist an diesen Horrorgeschichten etwas dran? Und wenn ja: Ist es überhaupt sinnvoll sein Leben über etwa einen Monat hinweg komplett auf Uni auszurichten?
Das sind Fragen, die ich nun in meiner ersten Klausurenphase versuche zu beantworten.
Kleiner Disclaimer: Es soll gesagt sein, dass ich hier keine Anleitung für eine erfolgreiche Klausurenphase geben möchte, geschweige denn kann. Ich bin einfach ein gottverdammter Ersti, der versucht in der Uni Welt irgendwie Fuß zu fassen. Zugegebenermaßen habe ich auch als Physik Student den Vorteil, dass sich ein Teil der Klausurvorbereitung durch die Übungsblätter automatisch auf das Semester verteilt, weswegen ich vielleicht etwas weniger lernen muss als der Durchschnitt der Studierenden. Vielleicht kann man aber trotzdem das ein oder andere aus meinen Erfahrungen und Gedanken mitnehmen oder sogar lernen.
Wie wichtig ist Uni generell?
Wie viel Zeit man in die Klausurvorbereitung steckt, hängt logischerweise sehr davon ab, wie gut man in der Klausur sein will, also wie wichtig einem die universitäre Laufbahn generell ist.
Aus den Schulzeiten ist man es gewohnt, dass man sein Leben im Griff hat und alles gut ist, wenn man gute Noten schreibt. Eine Sichtweise, die wie ich finde nicht einfach auf das Studium übertragen werden sollte. Schon länger ist mir klar, dass Physik nicht das einzige ist, mit dem ich mich langfristig beschäftigen möchte. Es gibt viele andere Dinge, die mich interessieren und wo ich mehr dazu lernen möchte. Sei es so etwas wie Musik machen, eine Sprache lernen oder einfach gute Unterhaltungen führen zu können.
Welche Dinge außerhalb der Uni einem wichtig sind, kann jeder nur für sich selbst beantworten. Ich bin mir aber sicher, dass jeder und jede mindestens eine Leidenschaft hat, wenn auch noch unentdeckt, der man nachgehen könnte.
Das ist der Grund, warum man meiner Meinung nach nicht einfach versuchen sollte so gut wie möglich in den Klausuren zu sein und alle zu Verfügung stehende Zeit hier reinzustecken. Das Leben hat so viel mehr als diesen “klassischen Weg” der Bildung zu bieten, weswegen man stets zwischen Uni und anderen Sehnsüchten des Lebens abwägen sollte und sich aktiv auch gegen die Uni entscheiden sollte.
Selbst in der Klausurenphase?
Hier muss man sich doch nur einen Monat lange nur auf das Lernen für die Uni konzentrieren und danach kann man ja wieder andere Sachen bevorzugen oder?
Ja das mag vielleicht stimmen. Ich bin aber kein großer Fan von dieser “Erst Leiden, dann Spaß-Einstellung”. Ich denke man sollte stets Gefallen am Prozess finden. Da gehört es für mich eben auch dazu mal Pause zu machen und mich ans Klavier zu setzen. Selbst wenn ich nicht unbedingt den Kopf für ein neues Lied habe, kann ich ja auch ein Stück spielen, was ich kann und mir einfach Spaß macht, was dem Lernerfolg wahrscheinlich auch eher gut tut als ihm schadet. Außerdem ist es sowieso nicht möglich 12h am Tag zu lernen und man muss irgendwann mal abschalten. Hier kann man sich also den anderen Projekten widmen, oder auch einfach etwas mit Freunde und Familie unternehmen, was die Wahrscheinlichkeit auszubrennen verringert.
Insbesondere in der Klausurenphase ist es wichtig, sich die Frage zu stellen, wie wichtig mir die Note am Ende denn ist. Damit meine ich nicht nur die Note der Klausur, sondern weiter in die Zukunft gedacht die Bachelor Note zum Beispiel.
Bei mir ist es so, dass ich mich sehr wahrscheinlich für den Master entscheiden werde. Demnach wird meine Bachelor Note eh kein Arbeitsgeber zu Gesicht bekommen. Mein Anspruch ist es deswegen die Grundlagen wirklich zu verstehen, aber eben nicht jedes einzelne Detail. Somit verzichte ich wahrscheinlich auf die 1,0, was für mich aber voll okay ist. Ich weiß, dass wenn ich die Bestnote anstreben würde, ich wahrscheinlich nicht mehr so viel Zeit für Musik, Sport, Freunde, Familie, etc. aufwenden kann, wie ich gerne würde.
Außerdem möchte ich noch erwähnen, dass falls man es sich als Lebensziel gesetzt hat so gut wie möglich bei der Bewerbung und beim Vorstellungsgespräch dazustehen, die Note nicht unbedingt das ist, worauf am meisten Augenmerk gelegt wird. Hier sind andere Fähigkeiten, die man definitiv nicht an der Universität lernt (soft skills etc.), teilweise deutlich wichtiger – hab ich gehört.
Da kann man sich also nochmal die Frage stellen, ob es sich hier lohnt über einen Monat hinweg alle Gelegenheiten für Spaß mit der Ausrede “Es ist ja Klausurenphase” auszuschlagen.
Pareto regelt
Okay, so weit so gut, aber wie schaffe ich es meine sozialen Kontakte und Hobbys zu pflegen ohne durch die Klausuren zu fliegen?
Fakt ist: Es ist unmöglich für alles vorbereitet zu sein, wenn man auch noch ein außeruniversitäres Leben führen will. Damit muss man sich abfinden. Es wird am Ende Aufgaben in der Klausur geben, bei denen man weiß, dass man sie hätte lösen können, wenn man sich denn sich diese spezielle Sache doch noch angeschaut hätte.
So ist es auch mir in meiner ersten Klausur letzten Donnerstag ergangen. Jedoch gibt es von diesen speziellen Sachen so viele, dass es ein unglaublicher Zeitaufwand wäre auf jede dieser potentiellen Aufgaben vorbereitet zu sein. Viel sinnvoller ist es hingegen, sich auf die typischen Aufgabentypen gut vorzubereiten, die immer oder sehr wahrscheinlich drankommen.
Somit schafft man es mit etwa 20% der Zeit, etwa 80% der Aufgaben gewappnet zu sein, sodass man sich um das Bestehen keine großen Gedanken machen muss. Bekannt ist dieser Ansatz unter den Namen “Paretoprinzip”, ”Pareto-Effekt” oder einfach “80/20-Regel”.
Im Allgemeinen sagt dieses Gesetz, dass 80% der Ergebnisse mit 20% des Gesamtaufwandes erreicht werden, was man auf so gut wie alle Lebensbereiche anwenden kann und eben vor allem auf das Lernen für Klausuren.
Jetzt aber mal Schluss mit dem schlauen Dahergerede…
Hat es geklappt?
Wie gesagt habe ich meine erste Klausur an der Uni schon geschrieben. Lustigerweise hatte ich schon etwa 25h nachdem ich den Stift weggelegt habe mein Ergebnis und beschweren kann ich mich da auf jeden Fall nicht. Klar gibt es einige, die besser abschneiden und dabei auch noch weniger als ich für die Klausur gemacht haben.
Da war auch ich schnell dazu geneigt, mich zu vergleichen, was einen am Ende eigentlich nur ein Rezept für Unzufriedenheit ist, weswegen ich mir diese Eigenschaft auf jeden Fall abtrainieren möchte (da wären wir wieder beim Thema Dankbarkeit).
Letztendlich bin ich einfach happy, wenn ich die Klausuren schaffe und dabei auch noch leben kann und nicht häufig die Klausurenphasenausrede zücken muss.